Wiesbadener Tagblatt

 

Galerie Nero zeigt Werke von Antoni Tapies und Joachim Hiller

05.12.2011 - WIESBADEN

Von Birgitta Lamparth

Wenn man zwei Künstler dieses Kalibers im Programm hat, kann man auch einen spannenden Dialog herstellen: Der katalanische Maler Antoni Tapies trifft in der Wiesbadener Galerie Nero auf den in Dorsheim bei Bingen ansässigen Maler Joachim Hiller. Und dabei zeigt sich, dass es sich der längst weit über die Region hinaus bekannte Hiller durchaus mit dem weltberühmten Tapies messen kann - auch wenn Letzterer mit seinen Arbeiten bereits seit den 40er Jahren zu den Großen der informellen Kunst gehört.

Gegensätze und Gemeinsamkeiten

Diese abstrakte Kunstrichtung ist die gemeinsame Sprache, die Tapies und Hiller sprechen - wenn auch mit einem jeweils anderen Akzent. Es ist ein Verdienst dieser Schau, die Gegensätze, aber auch die Gemeinsamkeiten in einer Gegenüberstellung herauszuarbeiten. Schon 2007 präsentierte Galeristin Susanne Kiessling beide Künstler gemeinsam, damals vor allem zu dem beide verbindenden Thema Mauer - jeweils freilich ganz anders interpretiert. Von Antoni Tapies sind diesmal in Kooperation mit der Pariser Galerie Lelong Druckgrafiken zu sehen - vor allem Lithografien - von Joachim Hiller Materialbilder. Und die Betonung liegt auf Material: Hiller (Jahrgang 1933), lässt Sand und Zement Strukturen bilden, die durch einen aufwendigen Prozess ausgeschwemmt und weggekratzt werden. Dadurch gewinnt seine Leinwand an Tiefe, wölbt sich an anderer Stelle nahezu reliefhaft auf, gleichzeitig werden die Scripturen sehr kleinteilig. Im Gegensatz dazu beschwört Tapies (Jahrgang 1923) einzelne, gestische Zeichen, die einem eigenen symbolischen Kontext folgen - wie archaische Metaphern oder ganz zeitgemäßes Graffiti.

Es ist eine sehr charakteristische Zeichensprache, die der Katalane seit vielen Jahren pflegt: Politische, aber auch philosophische Bedeutung kommt diesen Zeichen zu, die Tapies wie an eine Mauer richtet: Kreuze, Buchstaben - das A und das T - und immer wieder Extremitäten wie den Fuß, bisweilen hier an die Art Brut erinnernd.

Auch er hat häufig mit Sand gearbeitet - eine Parallele zu Hiller, der dies allerdings auf ganz andere Weise nutzt. Bei ihm scheint der Prozess ebenso wichtig zu sein wie das Ergebnis, das nur eine Art weitere Station ist. Insofern steht er damit den Drippings Jackson Pollocks nahe - auch er sucht einen Automatismus, der das fertige Bild quasi selbst produziert. Die Bildlandschaften Hillers sind spektakulär und ungeheuer plastisch - kein Wunder, dass neun von ihnen derzeit auch in der Gruppenschau „Terra incognita“ der Technischen Universität Dresden zu sehen sind.